27.08.2022 - Reutlinger General-Anzeiger
Elvis-Show – Nils Strassburg im Naturtheater
Schweißtücher für die Fans
VON ARMIN KNAUER
REUTLINGEN. "Elvis Xperience" nennt Nils Strassburg seine Show. Fast 500 sind am Donnerstagabend ins Naturtheater gekommen, um sich dieser Elvis-Erfahrung auszusetzen. Die meisten wissen, was sie erwartet. Zunächst mal eine Combo, die einen opulenten Las-Vegas-Sound in den Wasenwald jagt: mit dreiköpfigem Bläserblock, zwei Background-Sängerinnen, E-Gitarre, E-Bass, Keyboards, Drums. Gekrönt von einem Frontmann, der dem späten Elvis verblüffend ähnelt. Der sich mit enormer Hingabe durch das Werk des King of Rock ’n’ Roll schmachtet. Dabei immer ein selbstironisches Als-ob zwischen sich und seine Figur schiebt.
In dem Leonberger Nils Strassburg steckt ein Kleinkünstler, der sich die Elemente seines Idols vornimmt, parodistisch mit ihnen spielt. Strassburg übt Presleys Posen, übersteigert sie, demonstriert sie dem Publikum: "So müsst ihr euch hinstellen, Männer, und dann legt ihr euer Baby übers Knie!" Das alles in einem verschliffenen Amerikanisch, das Strassburg konsequent den Abend lang durchzieht.
Vibrato wie ein Erdbeben
Strassburg kokettiert mit seiner Rolle, karikiert sie lustvoll. Spreizt demonstrativ den Ausschnitt seiner himmelblauen Glitzerjacke, stopft sich seinen Seidenschal unter die Achseln. Klar, was nun kommt. Nach drei Abgehnummern à la "Jailhouse Rock" legt Strassburg den Schalter auf Ballade, packt ein Vibrato Marke mittleres Erdbeben in die Stimme, marschiert ins Publikum und hängt "Love me tender!" schnurrend einer Hörerin mit zwei Küsschen sein schweißgetränktes Tuch um.
Ungezählte wird er im Laufe des Abends so beglücken, es gehört zum Ritual. Frauen oft reifen Alters stürmen vor die Bühne, rocken ab wie Teenies und lassen sich mit Schweißtüchern beschenken. Ob auf der Bühne oder davor: Man feiert Elvis, indem man sich und ihn unernst nimmt – und ihn trotzdem liebt.
Opulenter Sound
Was auch deshalb funktioniert, weil es musikalisch passt. Strassburg trifft das gewisse Elvis-Flair, die samtig schnurrende Baritonlage, das kernig aufblitzende Schmettern der Höhen. Seine Combo liefert einen ausbalancierten Sound mit knackigen, unaufdringlichen Bläsern. Mit tollen E-Gitarren-Soli in den bluesrockigen Stücken der 1960er. Mit hämmernden Klavierkaskaden in den Boogie-nahen Titeln der 1950er. Mit fulminanten Soli von Tenorsax, Trompete, Posaune. Mit zwei Background-Sängerinnen, die schöne Akzente setzen. Und einem Drummer, der sprüht vor Energie.
Der Beginn groovt durch Elvis’ Las-Vegas-Sound. Der Schluss bringt seine opulent arrangierten Cover großer Blues- und Pophits, nun mit Strassburg im weißen Glitzerdress der Spätphase. Dazwischen erscheint er im dunklen Lederdress des jungen Presley, legt mit der Combo eine bezaubernde Akustik-Session im Sitzen hin, mit Akustikgitarren und einem Drummer, der verblüffend effektiv auf dem Gitarrenkoffer trommelt. Irgendwann hält es auch unsere Sitznachbarin mittleren Alters nicht mehr auf dem Sitz. "Ich muss jetzt da runter!" Fünf Minuten später hat sie ihren schweißgetränkten Seidenschal. Und lächelt selig. (GEA)