21.08.2021 - Reutlinger General-Anzeiger
Comedy – Dominik Kuhn seziert als Dodokay im Naturtheater das Kommunikationsverhalten seiner Landsleute
Warum der Schwabe "schizo" ist
VON ARMIN KNAUER
REUTLINGEN. Etwas seltsam ist es schon, plötzlich dicht an dicht zu sitzen in der gut gefüllten Naturtheatertribüne. Aber so ist die Verordnung, zudem sind wir alle geimpft, genesen oder getestet, tragen Maske, sitzen im Freien. Sollte also nichts passieren. Dominik Kuhns "Dodokay"-Show konnte die Pandemie erst recht nichts anhaben. Sein drittes Programm "Genau mein Ding!" läuft auf der Naturtheaterbühne am Donnerstagabend so spritzig durch, als habe es nie eine Coronapause gegeben.
Wer den Oberperfektionisten Kuhn kennt, weiß, dass er die Zeit zum Feilen genutzt hat. Das hat sich gelohnt. Kuhns Projekt, eine Bühnenversion seiner selbst zum Markenartikel zu machen, ist serienreif. Vor dem Einlass begrüßt einen ein Merchandise-Stand mit bedruckten Shirts ("I HAN DIE ARSCH GAR ET KENNT"). Nach dem Einlass vertreibt ein virtueller Dodokay auf der Leinwand die Wartezeit mit Faxen, während Hinweise auf Dodos Präsenz im Internet aufleuchten (#grasdackel, #schwäbelzahntiger).
In der Show selber braucht es inzwischen gar nicht mehr viele der legendären Filmclips mit schwäbisch synchronisierten Szenen, um die Spannung zu halten.
Das schafft Kuhn mit seiner perfektionierten Bühnenfigur. Er spielt mit dem Publikum; er macht sich ironisch Notizen für künftige Auftritte ("Funktioniert in Reutlingen nicht!"); er setzt die Pointen in hoher Schlagzahl; er hält die Linie.
In seinen ersten Shows war er noch der Bub aus dem Reutlinger Vorort, der Storys aus seiner Kindheit erzählt. Das hatte Längen. Inzwischen ist er eine Art Referent in einer Art Coaching über die Eigenheiten der Schwaben – das liegt ihm deutlich besser: das Analysieren, das Sezieren, das Beobachten von Details, deren Schrägheit er ausschlachtet. "Des kennet ihr au!", ruft er immer wieder – und bringt neue Beispiele aus seinem Beobachtungsschatz. Etwa, dass ein Schwabe auf die Rückfrage, warum dies oder jenes so sei, fast immer mit einem vorwurfsvollen "Ha …!" antworte.
Letztlich sei der Schwabe "schizo", resümiert Dodokay. Was er mit Wendungen belegt, die sich herrlich selber widersprechen: "Bei sowas kannsch dr gern au mol dr Haxa brecha!" Oder: "Dr Heinz, er hot an scheena Dod ghet!"
Mindestens so sehr trägt zur Erheiterung bei, dass Kuhn dabei geradezu sprachartistisch in die Rollen seiner Kronzeugen schlüpft. Die sehr oft Kronzeuginnen sind: die putzwütige Frau Hügele, die urschwäbisch knarzende Frau Metzger oder Bäckereifachverkäuferin Elvira. Zwischendurch seziert Dodokay auch das bizarre Sprachverhalten von Arzthelferinnen: "Sie dürfed grad no gschwend im Wartezimmer platznemma …"
Verbalinkontinenz im Örtchen
Im zweiten Teil, jenem Teil, in dem schwäbische Blaskapellen üblicherweise hemdsärmelig spielen, darf es auch bei "Dodo" derber werden. Da betreffen die Pointen öfter mal die Abteilung untenrum. Oder führen an die Pissrinne im Toilettenwagen. Aber auch da bleibt Kuhn hart am Thema. Bei seiner zweiten Kernthese nämlich, dass der Schwabe zwanghaft alles kommentieren muss, auch das Offensichtliche. Was morgens beginnt mit einem: "So, kann ma scho uff sei?" Und an der Pinkelrinne nicht aufhört.
So sind die Filmeinspieler fast schon Ruhepole. Zumal es ja sozusagen um Klassiker geht: den Bundestag, der sich in eine Vereinssitzung des "SV 49 Leimerstetten" verwandelt; oder die Schubkarren-Jungs vom orientalischen Bazar, die in Kuhns Synchronisierung zum "Tuning-Club Hasenweiler" werden. Das Publikum ist voll dabei, die über zwei Stunden vergehen im Flug. (GEA)