15.06.2021 - Reutlinger General-Anzeiger
Naturtheater – Am 25. Juni startet die Reutlinger Freilichtbühne mit Eigenproduktion und Gastspielen in die Saison
Heißhunger auf Kultur
VON GABRIELE KÜSTER
REUTLINGEN. "Nach einem Jahr der Stille", in dem es coronabedingt nur ein Notprogramm gegeben hatte, startet das Reutlinger Naturtheater in dieser Saison wieder größer durch. Mit einer Eigenproduktion für junge Zuschauer, mit Gastspielen auf der Freilichtbühne und erneut mit einer Kulturreihe auf der Terrasse des Theatergeländes mit regionalen Künstlern aus unterschiedlichen Genres.
Trotz derzeit niedriger Infektionszahlen ist das Thema Corona für die Organisatoren und all die kreativen Menschen auf der Bühne und hinter den Kulissen des Naturtheaters noch lange nicht vom Tisch. Von den großen Herausforderungen, Proben, Kostüme, Kartenverkauf und Bewirtung unter den mal mehr, mal weniger strengen Hygieneauflagen zu organisieren, berichteten gestern Mitarbeiter und Ehrenamtliche.
Aus der Rolle herausgewachsen
Wegen der Abstandsregeln wären die Proben und Aufführungen von wie sonst üblich zwei Eigenproduktionen in diesem Jahr nicht zu realisieren gewesen, berichteten Vorsitzender Rainer Kurze und Stellvertreterin Susanne Hammann. "Wir haben uns bewusst für das Kinderstück entschieden, weil sie die von Corona besonders Gebeutelten sind." So hat die Truppe um Regisseur Irfan Kars die Textbücher vom vergangenen Jahr in diesem Winter wieder vorgeholt, um sich der Geschichte von Peter Pan erneut anzunähern. Dabei gab es manche Überraschungen: "Manche Rollen mussten wir neu besetzen, weil die Darsteller in einem Jahr da rausgewachsen sind oder weil sich ihre schulische Situation verändert hat", erklärte der Regisseur.
Insgesamt haben die 30 Kinder und Jugendlichen und die sechs Erwachsenen, die sich auf der zum Schiff umgebauten Bühne auf eine magische und abenteuerliche Reise einlassen, aber wieder gut zusammengefunden – zunächst online, und seit Pfingsten "unglaublich diszipliniert" in kleinen Gruppen bei Präsenzproben. Piraten, Indianer und die "verlorenen Jungs" immer schön getrennt, damit im Falle einer Ansteckung mit dem Virus nicht gleich das ganze Ensemble ausfällt. Da sich das Virus beim Singen bekanntlich über die ausgeatmete Luft besonders gut verbreitet, liefen auch die Gesangsproben zunächst digital – bei mehr als vier Menschen kommt in diesem Format allerdings nicht mehr viel bei den Gesangspartnern an. Der musikalische Leiter Oliver Krämer, der auch die Musik zum Stück komponiert hat, nahm die Stimmen für die großen Nummern einzeln auf. Die wird es auch bei den Aufführungen voraussichtlich als Playback geben, während die Solos live gesungen werden.
Die Schiffskulisse, die die Freilichtbühne einnimmt, scheint ansonsten jedenfalls wie geschaffen dafür, um den sich ständig wechselnden Coronaregeln Genüge zu tun und gleichzeitig den Heißhunger auf Kultur von Darstellern und Zuschauern zu stillen. Letztere brauchen derzeit viel Geduld, wenn sie noch eine der begehrten Karten für Peter Pan ergattern wollen. Viele treue Naturtheaterfans haben ihre Karten vom Vorjahr behalten, was das durch die Abstandsregeln ohnehin stark begrenzte Kontingent – pro Aufführung sind maximal 250 bis 400 Plätze verfügbar – beträchtlich eingeschmolzen hat. Karten für die insgesamt 18 Aufführungen sind nur telefonisch reservierbar, Runden in der Warteschleife sind vorprogrammiert. Wer hartnäckig ist, kann dafür eine Aufführung in luftiger Atmosphäre genießen, bei der voraussichtlich auf die Maske am Platz verzichtet werden darf – je nach aktueller Lage!
Benefizgala fürs Betriebsgebäude
Trotz der Einschränkungen wird diesen Sommer viel geboten sein: Gastspiele auf der Freilichtbühne und Kultur auf der Terrasse für 100 bis 150 Besucher – und gleich drei Benefizabende, bei denen neben zusätzlichen Künstlern die Naturtheater-Akteure zum Einsatz kommen. Die Einnahmen sollen wieder für das geplante neue Betriebsgebäude verwendet werden. Das leer stehende alte Haus hat nach den Worten der Kostümbildnerin Sibylle Schulze in den vergangenen Monaten immerhin als große Garderobe einen guten Zweck erfüllt.
Apropos Geld: Ohne die Unterstützung der Truppe durch die Coronahilfen der Bundesregierung sähe es jetzt wahrscheinlich düster aus im Wasenwald, betonte Geschäftsführer Tilmann Scheck. Er hob auch das Sponsoring der Kreissparkasse hervor, die im vergangenen Jahr auch ohne Bühnenauftritte bei der Stange geblieben war. (GEA)