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25.08.2018 - Reutlinger General-Anzeiger

Jazz – 850 Besucher erleben im Reutlinger Naturtheater eine gut aufgelegte Chris Barber Band und Highlights aus der New Orleans-, Dixieland- und Swing-Ära


Nostalgisch, praktisch, gut

VON JÜRGEN SPIESS


Professionell und solide swingend – diesen Eindruck machte am Donnerstagabend The Big Chris Barber Band bei ihrem knapp zweistündigen Auftritt im mit rund 850 Oldtime-Fans sehr gut besuchten Reutlinger Naturtheater. Am Ende gab es zwar keine Zugabe, aber viel Applaus für eine der bekanntesten Dixieland-Formationen überhaupt.

 

Recht britisch sehen sie aus, die zehn Herren der Chris Barber Band. Schwarze Anzüge, ebenso schwarze Fliegen und das Haar ziemlich angegraut. Ein Teil von ihnen spielt schließlich schon beinahe seit den Anfangstagen der Combo mit, die irgendwann zu Beginn der Fünfziger gewesen sein müssen. Gleich mit dem Opener zeigen sie, wohin die Reise geht: zum Traditional Jazz.

 

Doch wer Altbackenes à la Knoff-Hoff-Show fürchtete, wird schnell eines Besseren belehrt: Erstens reißt die betörende Spiellaune der Altherrenmannschaft sofort mit. Zweitens stecken die Arrangements von Posaunist Bob Hunt voller Überraschungen. Stopps, Breaks, Tempowechsel, mehrstimmige Soli – spielend leicht dargeboten. Manchmal schwingen sich bis zu vier Instrumentalisten gleichzeitig zu Soli auf, unter den Stimmen von Klarinette, Trompete, Posaune und Saxofon schimmert dann das Akkordgerüst kaum noch durch.

 

Ohne Umwege

Seit 1949 ist der heute 88-jährige Posaunist Chris Barber auf Tournee, hat mehr als 15 000 Konzerte weltweit gegeben und weit über hundert Platten aufgenommen. Er weiß also ganz genau, was bei seinem Publikum ankommt: nämlich bekannte Melodien aus der New Orleans-, Dixieland- und Swing-Ära.

In betörender Spiellaune: Jazzlegende Chris Barber (88) im Naturtheater Reutlingen / Foto: Spiess

In betörender Spiellaune: Jazzlegende Chris Barber (88) im Naturtheater Reutlingen / Foto: Spiess

So hält sich der auf Deutsch moderierende Posaunist den ganzen Abend hindurch streng an die Vorgaben der Oldtime-Orthodoxie, an gerade und periodisierte Taktgruppierungen, und vermeidet folgerichtig zu expressive improvisierte Passagen. Und er zeigt dem konzentriert zuhörenden, aber auch häufig mitklatschenden Publikum, wie man zehn Musiker in den verschiedensten Kompositionen zu dichtem Zusammenspiel vereint. Nein, die Naturtheater-Besucher hören an diesem Abend bestimmt nichts Modernes und sind, wie es scheint, dankbar dafür: Stücke wie "Merry Go Round", "Icecream" und "When the Saints Go Marching In" werden in Bezug auf Phrasierung, Harmonik und Improvisation genauso gespielt, wie man sie von alten Aufnahmen des Meisters kennt. Alles in allem ein schöner, wohltönender Oldtime-Jazz-Abend, der niemals auch nur ein Stückchen Irritation verursacht, sondern elegant und ohne Umwege in die Gehörgänge des Publikums findet.

 

Die Musik des "Grandseigneurs des englischen Jazz", die von den Besuchern mit anfangs warmem, später begeistertem Applaus aufgenommen wird, lebt noch immer – das ist das Fazit des Abends. Der Posaunist und Sänger zeigt trotz seines fortgeschrittenen Alters, dass er kaum etwas von seiner Swing-Präzision eingebüßt hat. So ergab sich selbst für diejenigen, die Dixieland-Musik nicht so favorisieren, ein unterhaltsamer Querschnitt durch die Jazzgeschichte des vergangenen Jahrhunderts. (GEA)




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