Im Jahr 1928 ging es im Wasenwald mit der "Jungfrau von Orléans" gleich mal rebellisch los. Und 90 Jahre später steht mit dem "Käfig voller Narren" wieder kämpferisches und schrilles Personal auf der Bühne, das sich nicht um Konventionen schert.
Und so hat das Naturtheater seit seiner Gründung mit anspruchsvoller und bunter Unterhaltung insgesamt 1,9 Millionen Gäste in den Wasenwald gelockt – eine Erfolgsgeschichte, die nun in der Reutlinger Kreissparkasse einmal mehr ausgestellt wird. Schließlich hat man außer lebendigem Theater, spektakulären Kulissen, effektvollen Massenszenen, schauspielerischem Gefühl, originellen Ideen sowie Musik, Gesang, Tanz unter professioneller Regie auch sonst einiges zu zeigen, weshalb das Jubiläum mit einer Plakat-, Kostüm- und Requisitenschau gefeiert wird.
Zu sehen sind außerdem historische Textbücher und eine große Schatzkiste voller Plunder, der auf der Bühne jeweils eine mehr oder weniger maßgebliche Rolle gespielt hat. Und der allerlei Erinnerungen wach werden lässt, bei den vielen aktiven sowie altgedienten (Ehren-)Mitgliedern, die bei der Ausstellungseröffnung zu Gast waren. Sämtliche Stücke seit 1928 sind mit Plakaten und Szenenfotos dokumentiert. Das Naturtheater hat außer in den Kriegsjahren 1942 bis 1945 konsequent durchgespielt. Nach 1945 folgte der sofortige Wiederaufbau. Und so pfiff so mancher politische, zeitgeistige und künstlerische Wind durch den Wasenwald: Theater-Klassiker wurden von schwäbischen Volksstücken abgelöst, auf Filmklassiker folgten bei den "Wasenwald-Festspielen" Musicals und Gastspiele.
Kunst, Kitsch, Klassik, Kassenschlager, Klamauk – alles war dabei und immer zur hellen Freude des Publikums. Auf der Bühne und hinter den Kulissen stehen nach wie vor ganze Generationen von Familien, die in tausenden ehrenamtlichen Stunden werkeln, proben, singen, tanzen, schminken, nähen, hämmern, klopfen und malen.
Ihnen dankten die Gratulanten aus Politik und Sparkasse, während der Naturtheater-Vorsitzende Rainer Kurze bei der Jubiläumssause die wechselvolle Historie des Freilichttheaters erzählte, das ja aus einem Arbeiter- und Bildungsverein hervorgegangen ist.
In 90 Jahren hat das luftige Schauspielhaus schon einige Neu-, Um-, und Wiederaufbauten hinter sich, derzeit steht der Neubau von zwei Betriebsgebäuden an für Fundus, Schneiderei, Verwaltung, Garderobe, Proben und Veranstaltungen. Rainer Kurze bedankte sich bei allen Helfern vor, auf und hinter der Bühne, bei den Förderern und Sponsoren, die jetzt für die zukünftigen Investitionen wieder besonders gefragt sind.
Regierungspräsident Klaus Tappeser bezeichnete das Naturtheater als "den wahren Schatz, den Reutlingen hat", und der Erste Landesbeamte Hans-Jürgen Stede freute sich darüber, dass auch die Kindertheaterabteilung Jubiläum feiert. Seit 40 Jahren stehen Pippi Langstrumpf, Räuber Hotzenplotz, das Sams, Jim Knopf und andere legendäre Figuren auf der "großen, grünen Bühne, die mit eindrucksvoller Spielleidenschaft bespielt wird", wie Stede findet, der den "Mut und die Entschlossenheit" der Naturtheatler bewundert: "Liebes Naturtheater: Bleibe forever young". Der Landkreis prüfe derzeit die Förderung für die Bauvorhaben. Dem schließt sich die Stadt an: Kulturamtsleiter Dr. Werner Ströbele lobte ebenfalls die "bewundernswerte Entwicklung". Die Stadt stehe schon immer hinter dem Verein und werde ebenfalls ihren Beitrag leisten, dass die "starke Marke" auch zukunftsfähig bleibt. Naemi Keuler vom Landesverband Amateurtheater BW lobte die identitätsstiftende und netzwerkende Arbeit der Akteure.
Aber das Naturtheater wäre keine Unterhaltungsinstitution, wenn es sein Jubiläum nicht auch mit einem Kessel Buntem feiern würde, und so tummelten sich die Transvestiten aus dem Narrenkäfig in der Sparkasse, die aktuelle "Heidi"-Truppe sang ein Ständchen, und Holger Schlosser erklomm als Schweizer Schiri-Star Urs Meier mit einer Naturtheater-Seilschaft die höchsten (Achalm-)Gipfel der Kunst.
Die Ausstellung in der Kreissparkasse am Marktplatz ist noch bis zum 1. Juni zu sehen.
