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25.06.2018 - Reutlinger General-Anzeiger

Freilichtbühne – Ein Naturkind am Naturtheater: "Heidi" feiert als Musical für die ganze Familie im Wasenwald Premiere


"Du kannst alles, wenn du willst"

VON GABRIELE BÖHM


Unter anderem mit "La cage aux folles" und dem Kinderstück "Heidi" feiert das Naturtheater Reutlingen (NTR), eines der ältesten und größten Freilichtspiele in Baden-Württemberg, sein 90-jähriges Bestehen. Die Premiere des Kindermusicals von Claus Martin wurde am Freitagabend begeistert gefeiert.


Rainer Kurze, Erster Vorsitzender der Bühne, begrüßte die Zuschauer in den voll besetzten Rängen. Bei kühlen Temperaturen griffen viele gerne zu Jacke oder Decke.


Als Johanna Spyri 1880/1881 ihre ursprünglich zwei Romane über Heidi, das kleine Mädchen aus den Bergen, veröffentlichte, hatte sie ein Werk geschaffen, das zu den weltweit bekanntesten Kinderbüchern werden sollte. Ausdrücklich war die Geschichte nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene gedacht, denen Kinder am Herzen liegen. Kein Wunder also, dass Gäste aus mehreren Generationen zur Premiere kamen und sich bei der Inszenierung von Irfan Kars bestens unterhalten fühlten. Kinderstücke gehören seit 40 Jahren zum festen Bestandteil des NTR.


Zum Auftakt ein "Muh"

Die ersten Lacher gab es schon beim lauten "Muh", mit dem der Beginn des Stücks angekündigt wurde. Beim Bühnenbild, wie immer von Maja Rumswinkel genial flexibel konstruiert, dominierte das überdimensionale Foto einer Gebirgslandschaft, flankiert von einer gemütlichen Holzhütte als Zuhause von Heidi und ihrem Alm-Öhi und von einem luxuriös, aber kalt wirkenden Herrenhaus auf der anderen Seite.

Streit um das Waisenkind: Szene aus

Streit um das Waisenkind: Szene aus "Heidi" mit Clara Göhner in der Titelrolle und Carlos Vogt als Alm-Öhi. FOTO: NIETHAMMER

Mit einem schwungvollen "Grüezi" begrüßten die Bäuerinnen aus dem "Dörfli" in Graubünden singend und tanzend das Publikum. Carmen Lamparter sorgte für gelungene, mitreißende Choreografien, die musikalische Leitung hatte Oliver Krämer. Die wunderschönen Kostüme sind Sibylle Schulze zu verdanken. Es ist der Alm-Öhi, der mit dem Lied "Mein größter Schatz bist du" von seinen Lebensprioritäten singt und damit die Berge und natürlich seine achtjährige Heidi, die als Waise in seine Obhut gegeben wurde, in den Fokus rückt. Einsiedlerisch-zurückhaltend und dann wieder höchst emotional gab Carlos Vogt einen sehr überzeugenden Öhi ab. Auch Heidi (Clara Göhner), die eine bewundernswerte Leistung bot, und der Geißenpeter (Mario Speidel) besangen das glückliche, einfache Leben. Wenn Peter seine Ziegen rief, die sogleich meckernd hinter ihm her trabten, blieb kein Auge trocken. Sechs Kinder steckten in den Kostümen und füllten ihre Rolle großartig aus.

 

Doch das Idyll wird jäh unterbrochen, als Heidis Tante Dete (Petra Glaunsinger, herrlich zickig und geldgierig) sie nach Frankfurt mitnimmt. In der Stadt ist für das Naturkind Heidi alles laut und fremd. Klappernde Pferdehufe sind zu hören, edel gekleidete Bürger flanieren am Café "Chez Jacqueline" vorbei, die Kinder sind überheblich.

 

Das Bergkind in der Großstadt

Noch schlimmer wird es im Haus von Herrn Sesemann (Dietrich Stoll), in dem Heidi sich um Tochter Klara kümmern soll und Fräulein Rottenmeier ein strenges Regiment führt. Julia Coolens war in ihrer wichtigen Rolle gnadenlos arrogant, fiel aber auch mal humorvoll-theatralisch in Ohnmacht. Lebendig gestaltete auch das Hauspersonal (Emil Schneider, Jenny Glaunsinger) seine Charaktere aus. Lichtblicke in Frankfurt sind Klara (zauberhaft: Janina Poliak) und ihre liebe Oma (Carolin Lamparter), die Heidi "etwas fürs Leben" beibringt: "Du kannst alles, wenn du willst". Das Lied wird zur zentralen Botschaft der Aufführung. Und richtig, Heidi lernt mit etwas Selbstvertrauen endlich lesen und hilft auch der gelähmten Klara auf die Beine.

 

Eine optimistische Figur ist auch der Leierkastenjunge Gustav (Thomas Kahlert), dessen Straßenkatzenfreunde (mit dem starken "Muskelkater" Clemens Stary) glamouröse Balletteinlagen hinlegten. Keine Kollisionen gab es mit Hund Rufus, der als leibhaftiges Tier auf der Bühne agierte. Es gibt ein Happy End. Heidi, vor lauter Heimweh zur Schlafwandlerin geworden, darf wieder nach Hause. Der Applaus für diese wundervolle Aufführung wollte nicht enden. (GEA)




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