02.07.2012 - Reutlinger General-Anzeiger

Jugendtheater - »Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt«: »Pippi Langstrumpf« feierte als neues Kinderstück am Reutlinger Naturtheater eine bejubelte Premiere

Pippi schafft sie alle

VON DAGMAR VARADY

 Wenn Räuber auf Schränken liegen und feine Damen Sahnekuchen im Gesicht haben, dann kann Pippi Langstrumpf nicht weit sein. Astrid Lindgrens Pippi, »frech, wild und wunderbar«, die nie still sitzen kann, feierte am Freitagabend im Naturtheater Reutlingen unter der Regie von Ambrogio Vinella ihre keck-ausgelassene Premiere als das neue Kinderstück der Saison.

Langeweile ade - sobald Pippi in den Raum kommt, ist der Alltag kein Alltag mehr. Als stärkstes Mädchen der Welt hat sie so einige Vorteile. Spaß kann man damit haben, wie beispielsweise auf dem Jahrmarkt, wo nicht einmal der starke Adolf mit ihr mithalten kann. Aber auch vor Gefahren ist sie damit gefeit - die beiden Räuber landen schließlich nicht nur auf ihrem Allerwertesten, sondern auch auf dem Kleiderschrank.

Querkopf mit roten Zöpfen

Die Truppe des Reutlinger Naturtheaters spielt sich charmant in die Herzen der kleinen, aber auch großen Premierenbesucher. Insbesondere Pippi ist mit Sophia Seitz prima besetzt. Ausgelassen, verwegen und rebellisch spielt sie den lustigen Querkopf mit den roten Zöpfen. Mit extra lauter Stimme und ihren mutig-witzigen Aktionen löst sie bei Kindern und Erwachsenen viel Lachen und Jauchzen aus.

Ungehemmt springt sie im Klassenzimmer auf die Tische, weigert sich, »Plutimikation« (Multiplikation) zu lernen und wundert sich über die vielen Fragen der Lehrerin, die die Antworten ja offensichtlich selbst weiß. Warum also fragen und so anstrengend sein?

Etwas Positives hat die Schule doch: Ferien. Auch die Kaffeekränzchen-Szene gelingt den Schauspielern. Pippi bringt ordentlich Spaß und Wirbel in die Bude, sodass die herausgeputzten Damen schließlich, die Gesichter voller Sahnetorte, kreischend nach Hause rennen.

Spaßige Tanzeinlagen

Musikalische Beiträge (Alexander Reuter) beleben immer mal wieder das Szenarium. Kindergerechte Melodien und Texte werden angestimmt, während spaßige Tanzeinlagen, choreografiert von Carmen Lamparter, die letzte Würze verleihen. Ein schottischer Tanz wird übermütig gehüpft, beim Landstreicherlied zeigen sich die beiden Außenseiter ungemein tollpatschig, aber auch Pippi darf singen, und zwar mit Tiefgang. Sehnsüchtig und diesmal mit sanfter Stimme wünscht sie sich ihren Seeräuberpapa herbei. Zuletzt erfüllt sich dieser Wunsch und Pippi soll sich den Piraten wieder anschließen, doch plötzlich möchte keiner den lebhaften Wildfang gehen lassen, schon gar nicht ihre beiden neuen Freunde Tommy und Annika.

Das Premierenpublikum zeigt sich enorm begeistert, und so stellt sich »Pippi Langstrumpf« nicht nur als Stück für die Kleinen dar. Auch manch Erwachsener kann über einige Konventionen nachgrübeln. Ist es nicht vielleicht besser, ein wenig lockerer und mit guter Stimmung durchs Leben zu gehen? Alles in allem ein Plädieren für die Lebensfreude und den Optimismus. Und genau diesen Frohsinn vermittelt die Inszenierung, die Ambrogio Vinella samt seiner jungen Akteure auf die bunt geschmückte Bühne bringt. (GEA)