03.08.2010 - Reutlinger Nachrichten
Wilhelm König und Gäste: Naturtheater lud ein zu Kabarett, Gesprächen und Weißwürsten
Traditions-Frühschoppen im Wasenwald
Von Anne Sczesny
Das Prädikat "frech" hat sie sich zu Recht verdient. Die Lachmuskeln reizte Bettina Kästle beim dritten Frühschoppen des Reutlinger Naturtheaters, bei dem sich Wilhelm König und Gäste dem Thema Tradition widmete.
Tradition - dieses Thema spann sich um den dritten Frühschoppen des Naturtheaters. Passend dazu lud Wilhelm König den Betzinger Bezirksbürgermeister Thomas Keck ein, Vorsitzender des Schwäbischen Albvereins. Neben ihm und Rainer Kurze, Vorsitzender des Naturtheaters, nahm der Instrumentenbauer und Musiker Matthias Beck Platz. Für kesse Mundartstimmung sorgte Bettina Kästle. Und was passte besser dazu als ein gutes Glas Wein und zünftige Weißwürste.
"Die ist so frech wie sie aussieht", stellte Wilhelm König die Grafenauer Kaberettistin vor. Knallig rotes Haar, weißes Shirt und blaue Jeanslatzhose: Frech wie immer präsentiert sich Bettina Kästle. "Ich drücke den Altersunterschied heute morgen schon", bemerkte sie keck mit einem Blick in die Runde. Tradition, das habe ja auch etwas mit Alter zu tun, sagte sie. Doch müsse auch sie die Erfahrung machen, dass ihr Arzt bereits jünger als sie selbst sei, fügte sie zwinkernd an.
Traditionsgemäß sei sie extra zum Friseur gegangen, betonte die Kaberettistin, die sich mit einem kleinen Lied dann erstmal selbst vorstellte: "Kästle, wie Kasten bloß kloiner". Doch lasse sie ausschließlich Männer an ihr Haar: "Ich habe das Gefühl, dass Frauen nicht das Interesse daran haben, mich schöner aussehen zu lassen."
Ob nun auf dem Stuhl beim Zahnarzt oder beim Friseur oder über dem "Mensch ärgere dich nicht"-Brett gebeugt, der Alltag steht im Vordergrund, von ihr frech aufbereitet. Es sind Begebenheiten, in denen sich auch der Zuhörer leicht wiederfinden kann. Ihre ausdrucksstarke Mimik unterstreicht die kessen Texte.
Sie selbst findet sich nicht traditionell, ihre Instrumente sind es schon. Das Akkordeon und die Gitarre sind ihre musikalischen Begleiter. "Tradition hat immer ein Gschmäckle von etwas Altbackenes, das den Blick verstellt", sagt sie. Die Schwaben findet sie nicht verstockt und ungesellig. Im Gegenteil: "Gerade mit uns kann man ebbes machen, man muss nur etwas langsam machen", scherzt sie.
Tradition hat für Keck das Brauchtum. Als Schmankerl brachte der Betzinger Schultes Friedemann Rupp und Romana Linder in voller Festtagstracht gewandet mit. Er spricht über die Widrigkeiten des Schwäbischen Albvereins, dem steten Verlust der Mitglieder und den steigenden Kosten der Wanderheime. Die Freizeitgestaltung in Stadtnähe sei wegen der vielfältigen Konkurrenz schwieriger, sagt Keck. Doch bleibt er zuversichtlich: "Wir sind breit aufgestellt."
Familientradition pflegt Matthias Beck. Musik spielt dort eine große Rolle. Er selbst studierte Musik und entschied sich gegen das Orchester und für den Familienbetrieb. Eine Ausbildung zum Instrumentenbauer schloss er an und übernahm das Musikhaus vom Vater. Inzwischen kann er auf 40 Jahre beim Dettinger Posaunenchor zurückblicken. Eigenkreationen wie sein Flügelhorn und seine Piccolo-Trompete kamen beim Frühschoppen zum Einsatz. Er spielte Improvisationen traditioneller Melodien, schwäbische Volkslieder und die Europahymne.
Ebenso für die Ohren und zum Schmunzeln waren die kleinen Texte Wilhelm Königs wie "Zwee Schbrich", "uffdr Hennaloeder" oder "Kendrliad". Tradition ist in Reutlingen vielfältig, weiß er. Eine alte sei beispielsweise der Schwörtag und die Reutlinger Mundart.
Ernste Töne streute Naturtheater-Chef Rainer Kurze mit einem Text von 1922 ein. Es ging darum, was es heißt, Soldat zu sein. Ein Text, der durchaus auch auf das Jetzt bezogen werden kann.