05.07.2010 - Reutlinger Nachrichten
Farbenfrohes Märchen-Musical: "Cinderella" im Naturtheater Reutlingen
Räuber, Feen und Geister
Von Kathrin Kipp
Mit "Cinderella" hat der neue Naturtheater-Regisseur Ambrogio Vinella ein tolles und farbenfrohes Märchen-Musical für Kinder gezaubert - mit viel Musik und jeder Menge Knalleffekte. Am Freitag war Premiere.
"Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen" - "Cinderella", das ist das Märchen vom armen Aschenputtel, das von der bösen Stiefmutter schikaniert und zum Linsensortieren verdammt wird, während sich seine beiden Stiefschwestern auf dem Brautcasting-Ball des schönen Prinzen amüsieren.
Ambrogio Vinella hat sich für seine Theaterfassung alle künstlerischen Freiheiten genommen, lässt Räuber, Feen und Geister mitspielen und hat das Musical mit viel Witz und Tollerei inszeniert. Das geht schon damit los, dass eine junge Fee namens Rosalind (Sophia Seitz) auf einem Fahrrad mit Navi und Düsenantrieb gleich mal ein Feuerwerk zündet und durch den Wasenwald braust, vorbei am "Knusperhäuschen, Rübezahlwald und Froschkönigssee".
Sie ist Azubi und soll für die Feen-Abschlussprüfung die traurige Cinderella (Melanie Hageloch) glücklich machen. Rosalind ist ein fesches, unerschrockenes Mädel, das irre Klamotten trägt und seltsame Beschwörungsformeln von sich gibt. Mittel zum Zauber-Zweck sind die berühmten drei Nüsse, mit denen es die Effektabteilung des Naturtheaters so richtig knallen lässt: Sie bringen den Kamin zum Explodieren, und schon springt ein ganzes Rudel quirliger Nachwuchsfeen herbei, um ein immer noch schöneres Ballkleid aus dem Hut zu zaubern. Das wiederum lässt Cinderella aus vollem Herzen "laufen, singen, springen".
Und so ist beim Kinderstück des Naturtheaters immer etwas geboten, mit bunten Marktszenen, mit abgefahrenen Kostümen (Lucia Tunas), prächtiger Kulisse (Jolanta Slowik) und einem temperamentvollen Ensemble, das zu jeder Gelegenheit ein flottes Lied auf den Lippen hat. Die spritzigen Songs von Alexander Reuter haben Ohrwurmqualitäten, sorgen für ordentlich Stimmung und Abwechslung und werden von den jungen Darstellern astrein performt.
Durch den Wasenwald stolpern außerdem zwei freiheitlich gesinnte Räuber mit Hang zum Sentimentalen und den vielsagenden Namen "Blech" (Carina Weber) und "Trommel" (Ana Zivkovic).
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann singen sie noch heute
Sie sind mindestens genauso räuberisch unterwegs wie ihr Erfinder selbst, der sich für sein "Cinderella"-Musical einfach sämtliche Märchen, Zauberer-, Abenteuer- und Günter-Grass-Geschichten kreativ zusammengereimt hat.
Seine leicht tolpatschigen Räuber jedenfalls schmettern ein gepflegtes "Wir trinken, rülpsen, rauchen" durch die Botanik, versuchen sich in der Kunst des Fahrradklaus und lassen sich dabei auch noch von der Fee erwischen. Dafür müssen sie Cinderellas verschwundenen Vater, Kaufmann Drosselbart (Ulrich Heck) wiederfinden. Auf ihrer Mission treffen sie auf den superbösen Geist (Petra Glaunsinger), der mit halliger Stimme und monströser Perücke gruselig durch die Gegend hüpft und dabei eine riesige Staubwolke produziert. Trotz seiner 3000 Jahre Berufserfahrung scheint er allerdings nicht allzu helle zu sein und verrät prompt sein Geheimnis.
So können die beiden Räuber den Vater gerade im richtigen Moment befreien, denn die Stiefmutter (Angela Sauter) hat Cinderella mittlerweile in einen Verschlag eingesperrt und macht mit einer garstigen "Wer zuletzt lacht"-Arie auf sich aufmerksam. Mit ihren zwei Töchtern (Manuela Hansow, Frauke Rausenberger) herrscht im Kampf um den feschen Prinzen erwartungsgemäß Zickenalarm, ihre schrillen Reifröcke und extravaganten Kopfbedeckungen setzen der affektierten Künstlichkeit dieses intriganten Trios noch die Krone auf.
Am Hof wiederum herrscht feine Etikette, hier verlustiert man sich mit feinen Tänzen (Choreographie: Carmen Lamparter) und luxuriösem Massenauflauf. Nur einer ist unglücklich: Der Prinz (Johannes Blattner), dem seine unbekannte Schöne immer wieder entwischt. Aber auch er findet am Ende den passenden Fuß für seinen Schuh. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann singen sie noch heute.