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Rainer Kurze, neben dem alten Gebäude mit vielen Schäden, freut sich auf den Neubau. FOTO: BÖHM

Rainer Kurze, neben dem alten Gebäude mit vielen Schäden, freut sich auf den Neubau. FOTO: BÖHM

10.08.2020 - Reutlinger General-Anzeiger

Verkleinertes neues Betriebsgebäude

Naturtheater – Die Planungen tragen den knapperen Finanzen Rechnung. Am Samstag trat Zauberer Topas auf


VON GABRIELE BÖHM


"Dass Corona verschwindet!" Rainer Kurze, Erster Vorsitzender des Reutlinger Naturtheaters (NTR), muss nicht lang überlegen auf die Frage, was er sich von Zauberer Topas wünsche. Der zweifache Weltmeister der Zauberkunst trat am Samstag in der Reihe "Kultur tut gut" auf, die das NTR als Ersatz für die ausgefallene Sommersaison aufgelegt hatte. An diesem Abend war eigentlich eine Benefizgala zugunsten des neuen Betriebsgebäudes geplant.

 

"Wir wollen einfach zeigen, dass Kultur trotz Corona funktioniert", so Kurze. Nach den "Zaungastkonzerten" im Juli umfasst "Kultur tut gut" fünf Veranstaltungen, von denen das "Ohrenkino" von Holger Schlosser und das Liedertheater mit Vladi und Christof Altmann bereits gelaufen sind. "Mit dem Besuch sind wir zufrieden", meint Kurze. Beim ersten Mal seien 60 Gäste gekommen, beim zweiten Event, regenbedingt, 30. Viele schätzten das besondere Open-Air-Flair vor der ehemaligen Gaststätte. "Eventuell bieten wir hier auf Dauer Veranstaltungen an."

 

Bei Topas war die Terrasse mit rund 100 Gästen restlos besetzt. "Diese Vorstellungen sind kostendeckend und lohnen sich", so Kurze. "Doch viel wichtiger ist uns, dem Publikum zu zeigen, dass bei uns trotz der Krise etwas stattfindet." Auch das Vereinsleben müsse weitergehen. Immer wieder stehe man vor Herausforderungen, da man auch bei den Proben den Abstand einhalten müsse. "Aber Theater ist nichts auf Abstand. Es geht immer um Kontakt und Interaktion."

 

Die Lage insgesamt beschreibt Kurze schlicht als "grauenvoll". Bei dem wundervollen Sommerwetter sei die Saison sicher rekordverdächtig geworden. "Aber jetzt gehen wir davon aus, dass wir mit einem fünfstelligen Minusbetrag abschließen." Seit Oktober 2019 seien Karten im Wert von 150 000 Euro verkauft worden. "Davon haben wir 21 000 Euro bisher zurückgezahlt. Für 7 000 Euro haben die Gäste auf Rückzahlung verzichtet oder Gutscheine akzeptiert." Man käme "einigermaßen hin", wenn die Leute ihr Geld nicht zurückverlangten. "Ein Jahr kann man so eine Krise durchhalten, aber wenn 2021 auch so ablaufen sollte, weiß ich nicht, wie es gehen soll." Die Planungsunsicherheit sei enorm. "10 000 bis 15 000 Euro monatlich an laufenden Kosten haben wir immer, ob wir spielen oder nicht." Dankbar sei man für die Soforthilfe in Höhe von 9 000 Euro vom Land und für die Zuschüsse von Stadt und Landkreis.

 

"Wir hoffen, unter sechs Millionen Euro zu bleiben"

Extreme Auswirkungen habe die Krise auf den Bau des geplanten Betriebsgebäudes, nachdem das alte Gebäude aus den 1940er-Jahren zu klein und zu marode geworden sei. "Es bricht schlichtweg zusammen." Seit 2017 ist bekanntlich ein Neubau mit rund 2 000 Quadratmetern Fläche für rund 8,6 Millionen Euro geplant. "Da uns die Einnahmen von rund 30 000 Besuchern weggebrochen sind, können wir das aber so nicht aufrechterhalten«, bedauert Kurze.

 

Das neue Gebäude soll um rund 700 Quadratmeter kleiner werden, was die Kosten deutlich senkt. "Wir hoffen, unter sechs Millionen Euro zu bleiben." Gleichwohl solle das Gebäude alle Bedürfnisse des NTR erfüllen. Im Untergeschoss werden Umkleiden, Maske, Probenraum und sanitäre Anlagen untergebracht, im Erdgeschoss Künstlertreff, Küche und ein Probenraum mit 160 Plätzen, der auch Veranstaltungen das ganze Jahr über dienen soll. Im Obergeschoss liegen ein Besprechungsraum und die Büros des NTR und der Theatergruppe D’Moo’Spritzer. Die alte Gaststätte, die ebenfalls abgerissen werden sollte, bleibt erhalten. Aus der Not heraus habe man einen Teil der Logistik bereits dorthin verlegt, auf Dauer soll sie für Schneiderei und Kostümfundus, eventuell noch einen Jugendraum, genutzt werden.

 

Für das neue Betriebsgebäude werden bis Oktober 2020 neue Pläne erstellt. "Dann soll es eine große Runde mit Stadt, Landkreis und Ministerium geben, um eine Lösung für die Finanzen zu finden", so Kurze. Rund eine Million könne das NTR selbst aufbringen, doch den Rest müssten Zuschüsse decken. "2019 hat der Landkreis uns 200 000 Euro mit der Option auf weitere Mittel in den kommenden Jahren zugesagt. Die Stadt Reutlingen hatte uns damals bereits 400 000 Euro für die Planungen zugeschossen, steht dem Vorhaben positiv gegenüber, hat sich aber noch nicht zu den Finanzen geäußert." Man hoffe dringend auf weitere Zusagen, zumal sich ja die Baumaßnahmen auch in die kommenden Jahre verschoben hätten. Erste Gespräche mit dem Land und den Landtagsabgeordneten seien gelaufen.

 

Das NTR selbst hat durch Kostümflohmärkte einige Tausend Euro und den Verkauf von "Bausteinen" von 50 bis 5 000 Euro über 20 000 Euro erwirtschaftet. Vereinen wird die Bühne zur Verfügung gestellt. "Ich würde mir wünschen, dass auch die hiesigen Firmen den Wert des drittgrößten Freilichttheaters in Baden- Württemberg mit einer Tradition seit 1863 erkennen und uns sponsern", so Kurze. Corona habe aber auch Zeit geschaffen für Aufgeschobenes. Die Kostüme und das Archiv wurden neu sortiert, Videos ins Netz gestellt und kleinere Renovierungsarbeiten durchgeführt.

 

Für eine Stunde ließ Topas alle Sorgen vergessen. Er packte mit einfachen Fingerspielen und einer Schilderung des Bestellvorgangs am rauschenden Lautsprecher einer Fast-Food-Kette das Publikum von Anfang an und mokierte sich über seltsame Waschbecken in Hotelzimmern: "Will ich mich waschen oder einen Salat machen?" Immer wieder wurden Zuschauer mit einbezogen, wie Steffi, die bei der mysteriösen Verwandlung von Orangen in Saft assistierte. Das Motto von Rainer Kurze "Lebenslust statt Corona-Frust" ging voll auf. (GEA)




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